Leise aber stetig verabschieden sich die Rebhütten aus unserer Landschaft. Kaum zu glauben, aber allein in Ihringen gab es ab den 30erJahren des vorigen Jahrhunderts vermutlich noch an die 800 - 1000 Stück, heute sind es vielleicht noch 150 – 200.
Die klassische Kaiserstühler Rebhütte (die Einheimischen sagen in alemannischer Mundart: Rebhitte, Rebhidde oder Rebhisli) nimmt meist nicht mehr als 2 mal 2 Meter Grundfläche ein, ist fast nur mannshoch und mit einem leicht geneigten Flachdach aus Blech gedeckt. Daran befestigt eine Regenrinne von der ein Fallrohr ursprünglich zu einer Sammeltonne führte. Vier Pfosten aus widerstandsfähigem Akazienholz bilden die Ecken, so dass der Wind durch das Rebhütte pfeifen konnte. Einziger Erstellungsgrund zunächst : Auffangen von Regenwasser.
Später dann wurden Wände aus Schwartenbrettern angebracht und eine Türe, die das Innere meist mit einem einfachen Riegel verschloss. Das Regenfallrohr, das zunächst in einer Tonne mündete, reichte später in eine innen gelegene, unterirdisch gemauerte Zisterne, die bis zu tausend Liter Wasser fassen konnte. Ein hölzerner oder auch gemauerter oberirdischer Trog ist oft der einzige heute noch sichtbare Einrichtungsgegenstand im Inneren. Manchmal steht noch ein größeres Schöpfgefäß mit langem Stiel daneben.
Männer, wie der Blechner Albert Schweizer, der Zimmermann Ernst Gumpert oder der Maurer Fritz Laufer haben diesen Rebhütten in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts ihre einheitliche Form gegeben.
Auch wenn wir Kaiserstühler zu Recht stolz auf unsere Rebhütten sein können, so sind wir doch nicht die Einzigen mit diesem Besitz. Ähnliche Bauten gibt es z.B. auch in der Schweiz, hier allerdings in etwas massiverer Bauweise aus Stein, also schon richtige „Rebhüsli“. Aber soweit muss man gar nicht gehen. Auch im Markgräflerland gibt es solche „Luxusvarianten“ aus Stein und oft sogar zweistöckig. Man nennt sie dort „Bammerthüsle“.
Warum standen die Rebhütten da?
Betagte Winzer erzählen:
„Früher wurde da schon drauf geachtet, dass jedes Kind in jeder Lage ein Rebgrundstück hat, wegen dem Hagel; damit er dann trotzdem noch eine Traubenernte hat. Kann sein, dass es dann 16 Grundstücke waren“. “Oft war noch ein Chriesebaum da, für das erste Geld im Jahr auf dem Markt am Stockbrunnen“ und „weil man die Bekämpfungsmittel und das alles noch nicht hatte, auch nicht die Maschinen. Damals wenn man was gesehen hat, den Äscherich , da hat der Vater Spritzbrühe, angemacht, das war damals noch Vitriol, und vom Schilf, die langen Blüten, da hat man früher Kehrbesen draus gemacht und mit denen ist er in die Reben. Hat den Kehrbesen mitgenommen, ihn in den Eimer getunkt und hat die Trauben angespritzt….“. „ Es gab nicht Wege in jedes Grundstück. Da mussten wir manchmal die Spritzbrühe die gebraucht wurde mit dem Eimer weiß Gott wie weit tragen. Unsere Reben waren zum Teil vier Kilometer von hier. Ich habe da fast eine Stunde gebraucht ….“. „Nach links und rechts gingen so kleine Schlugge (kleine Pfade) hinauf, aber mit einem Traktor kam man da nicht rauf. Nur zu Fuß, die haben ja zum Teil den Mist da raufgetragen und die Trauben runter“. (verändert und ergänzt nach K.Kook)
Der Äscherich war der Mehltau der Europa etwa um die Mitte des 19. Jahrhunderts erreichte. Diese „Seuche“ war bestimmt der Anlass für den Bau der Rebhütten im Bereich Ihringen und es ist wohl so, dass 1935/36 jener Blechner Albert Schweizer im Ihringer Gewann Hohrain eine erste Rebhütte gebaut hat zum Auffangen von Wasser und zum Ansetzen von Spritzbrühe vor Ort ohne den aufwändigen und beschwerlichen Transport der dazu nötigen Gerätschaften.
Ganz gewiss dienten die Rebhütten aber auch als Unterschlupf, wenn man bei den vielfältigen Arbeiten am Weinstock - vom ersten Schnitt bis hin zur Lese - von einem Unwetter überrascht wurde und manchem Bammert (Feldhüter), der für den Schutz der Trauben vor gefräßigen Vögeln aber auch vor kleinen und großen Stiebitzen eingesetzt war, werden die Rebhütten Unterstand gewährt haben.
Dem einen oder anderen älteren Herrn huscht bei den Interviews ein Schmunzeln übers Gesicht, wenn er von Sonntagsspaziergängen in den Reben erzählt und ein Rebhisli nicht nur als Unterschlupf diente sondern zum Liebesnest wurde. Davon erzählen unter anderem auch zwei Gedichte: Eines von unserem Heimatdichter Arno Müller, das andere von der Mundartdichterin Martha Schmidle aus Gottenheim.
Der Kaiserstuhl ist nicht nur ein berühmtes Weinbaugebiet, sondern seit 2007 auch eines der 5.500 Europäischen Vogelschutzgebiete. Der Kaiserstuhl ist das bedeutendste Brutgebiet für Bienen¬fresser, Schwarzkehlchen und Wiedehopf in Baden-Württemberg, eines der wichtigsten Brutgebiete für Baum-, Wanderfalke und Hohltaube sowie ein Zentrum des Wendehalses und der Zaunammer in Baden-Württemberg*.
Dieser Schutzstatus erfordert verschiedenste Maßnahmen zum Erhalt gefährdeter Vogelarten und deren Lebensräume. Das gilt vor allem bei Flurneuordnungsmaßnahmen, da hier wertvolle Lebensräume und Brutstätten verloren gehen können. Seit einiger Zeit wird die Flurneuordnung durch ökologische Beratung begleitet. Spezielle Gut¬achten legen dabei fest, wie und wo die Fauna und Flora erhalten werden muss und welche Ausgleichs¬maßnahmen erforderlich sind. An geeigneten Stellen werden neue einfache Hütten aufgestellt, in denen Nistkästen dem Wiedehopf und anderen Höhlenbrütern neue Brutmöglichkeiten bieten. In Ihringen im 2014 veränderten Flurbereinigungsgebiet Schlichten oberhalb des Friedhofs kann man dies gut sehen. Das ist sicher ein großer Fortschritt in der Flurneuordnung und natürlich auch ein großer Gewinn für Wiedehopf und Co.
Der Charme der alten Rebhütten bleibt jedoch unerreicht.